Ein normannischer Abend im Herzen Berlins

Eine sommerliche Wärme umhüllt die Gärten der französischen Botschaft in Berlin. An diesem 14. Juli weht die Trikolore stolz neben ihrer deutschen Schwesterflagge, Symbol einer durch Zeit und Geschichte besiegelten Freundschaft. Die Luft ist erfüllt von fröhlichem Stimmengewirr, einer Mischung aus französischen und deutschen Akzenten, während fast tausend Gäste sich versammeln, um den Nationalfeiertag zu feiern. Aber heute Abend liegt ein besonderer Duft in der Berliner Luft: der Duft von Meeresbrise, Äpfeln und Crème fraîche. Heute Abend hat Frankreich das Gesicht der Normandie.

14 juillet 2025 à Berlin © UFE-Berlin
Die französischen Auswanderer waren mit von der Partie!

von Joël-François Dumont — Berlin, 15. Juli 2025 —

Inmitten dieses Trubels steht Hervé Morin, Präsident der Region Normandie, mit einem stolzen Lächeln. An der Seite seines Gastgebers, dem französischen Botschafter in Deutschland, Seiner Exzellenz François Delattre, ist er nicht nur ein Ehrengast, sondern auch der Architekt einer Präsenz, die Sinn macht. Denn zwischen der Normandie und Deutschland bestehen Verbindungen, die über bloße diplomatische Höflichkeit hinausgehen. Es ist eine echte Geschichte, die von Herz und Verstand geprägt ist.

François Delattre et Hervé Morin le 14 juillet çà Berlin © Ambassade de France en Allemagne
S.E. François Delattre mit Hervé Morin, ehemaliger Minister und Präsident der Region Normandie

Was den Tourismus angeht, haben die Deutschen, die von den grünen Landschaften, den geschichtsträchtigen Stränden und der reichhaltigen Gastronomie begeistert sind, die Normandie zu ihrem Lieblingsreiseziel in Frankreich gemacht. Wirtschaftlich gesehen ist Deutschland ganz einfach der wichtigste Partner der Region und ein wichtiger Handelspartner.

Hervé Morin — Allocution à l'ambassade de France  à Berlin le 14 juillet 2025
Hervé Morin, Präsident der Region Normandie, während seiner Rede – Foto © Französische Botschaft in Deutschland

Der Besuch von Präsident Morin in Begleitung einer Delegation unter der Leitung seiner beiden Vizepräsidenten ist daher nicht nur ein einfacher Besuch, sondern die Feier einer blühenden Allianz.

M. Benjamin Haddad, ministre délégué chargé de l’Europe — Photo © Ambassade de France en Allemagne
Benjamin Haddad, Staatssekretär für Europa — Foto © Französische Botschaft in Deutschland

Der Abend ist ein Spiegelbild dieser privilegierten Beziehung. Man trifft Benjamin Haddad, Staatssekretär für Europa, sowie Ronan Le Gleut, Senator für die französischen Staatsangehörigen im Ausland, dessen Gesicht den in Berlin lebenden Auswanderern bekannt ist.

Madame Fatima Sanfourche — Photo © Ambassade de France en Allemagne
Frau Fatima Sanfourche – Foto © Französische Botschaft in Deutschland

Bevor er sich den Feierlichkeiten anschloss, nahm sich Hervé Morin Zeit für ein herzliches Gespräch mit den Mitgliedern des Vorstands der Union des Français de l’Étranger (UFE) in Berlin. Eine Geste, die von diesem Verein sehr geschätzt wurde, der seit 55 Jahren[1] unermüdlich für die französischen Regionen wirbt. Ein Beweis dafür ist ihr Erfolg, die feinschmeckerischen Berliner für die Galette-Saucisse zu begeistern, die zu einem festen Bestandteil ihrer geselligen Veranstaltungen geworden ist.

Pains français — Photo © Ambassade de France en Allemagne
Von Tisch zu Tisch: französische Produkte – Foto © Französische Botschaft in Deutschland
Faromages de Normandie… — Photo © Ambassade de France en Allemagne
Und natürlich Käse aus der Normandie… – Foto © Französische Botschaft in Deutschland
Confitures du Sud-Ouest – Photo © Französische Botschaft in Deutschland
Nach dem Buffet (Fleisch, Austern), Crêpes und Konfitüre ist es nur noch ein kleiner Schritt von der Normandie in den Südwesten…

In dieser Atmosphäre wird der Dialog mit den konkreten Akteuren dieser wirtschaftlichen und kulturellen Brücke fortgesetzt. Hervé Morin unterhält sich mit Didier Canet, einem normannischen Unternehmer, der den Mut und das Talent hatte, „Les Délices Normands” im Herzen Berlins und Brandenburgs zu etablieren und damit zu beweisen, dass Camembert und Livarot ihren Platz neben Brezel und Currywurst haben, und zwar ihren festen Platz. Dieser Abend ist nicht nur ein Empfang, sondern ein deutsch-französisches Ökosystem in voller Aktion.

Die Normandie, eine unbekannte Macht und die Vision eines Mannes

Die Mission von Hervé Morin in Berlin könnte einfach erscheinen, da das Terrain bereits erobert ist. Doch sein Ziel ist größer: Es geht darum, Klischees zu überwinden, um die wahre Stärke der Normandie zu offenbaren und die Zukunft vorzubereiten.[2] Denn die Normandie ist zwar für ihre Milchprodukte und ihren außergewöhnlichen Käse bekannt, hat sich aber zu einem facettenreichen Wirtschaftsriesen entwickelt, der selbst den Franzosen oft unbekannt ist.

Hervé Morin, président de la Région Normandie pendant son allocution — Photo © Ambassade de France en Allemagne
Wir müssen Klischees überwinden, um die wahre Stärke der Normandie zu zeigen und die Zukunft vorzubereiten “ (Hervé Morin)

Mit der Leidenschaft eines Menschen, der jeden Winkel seiner Region kennt, liebt Hervé Morin es, Vorurteile zu widerlegen. Wer weiß schon, ob in Frankreich oder Deutschland, dass 90 % des weltweiten Flachses, dieser edlen und ökologischen Faser, die in der Haute Couture und im Design so geschätzt wird, in der Normandie angebaut wird?[3]

Les 14 juillet à l’ambassade de France à Berlin, Parizer Platz
Am 14. Juli findet am Parizer Platz in Berlin der Nationalfeiertag statt, der immer ein großer Erfolg ist.
Vue de l’assistance se partageant entre les salons et le jardin de l’ambassade — Photo © Ambassade de France
Blick auf die Gäste, die sich zwischen den Salons und dem Garten der Botschaft verteilen – Foto © Franz. Botschaft

Wer hätte gedacht, dass diese Region mit ihren Kraftwerken und erneuerbaren Energien allein 26 % des jährlichen Energieverbrauchs Frankreichs deckt?

Weit entfernt vom Bild einer einfachen Agrarregion ist die Normandie ein Standort für Spitzenindustrie. Als Erbin des Luftfahrt-Know-hows der Nachkriegszeit hat sie Kompetenzzentren in den Bereichen Agrar- und Lebensmittelindustrie, Petrochemie, Pharmazie und Automobilbau aufgebaut. Ihre beiden großen Häfen, Le Havre und Rouen, sind die wirtschaftlichen Zentren der Region und machen sie zu einem Knotenpunkt des weltweiten Handels, was sowohl für Importe als auch für Exporte von großem Vorteil ist. Und was ist mit den Schätzen der Meere? Die Normandie ist ganz einfach der größte Austernproduzent Frankreichs!

Le Mont Saint-Michel photographié par un drone
Der Mont Saint-Michel, fotografiert von einer Drohne – Foto Amaustan

Und dann ist da noch dieses Juwel, diese Herausforderung an die Schwerkraft und die Geschichte: der Mont-Saint-Michel. Hervé Morin amüsiert sich über den jahrhundertealten Streit mit der Bretagne, erinnert aber mit Nachdruck: „Der Mont gehört zur Normandie!” Auch der Staat hat sich nicht getäuscht und behält die touristischen Einnahmen dieses Monuments, das nach dem Eiffelturm das meistbesuchte in Frankreich ist, aufmerksam im Auge.

Ein eifersüchtig gehüteter Schatz, genau wie die Geheimnisse der Omelette de la Mère Poulard, die nach alter Tradition kräftig in einer Schüssel verquirlt wird, bevor sie von den Großen dieser Welt an diesem Ort außerhalb der Zeit verkostet wird.

Seinen Willen, seiner Region den ihr gebührenden Platz zu verschaffen, schöpft Hervé Morin aus seiner eigenen Laufbahn. Diejenigen, die ihn kennen, beschreiben ihn als einen hartnäckigen Mann mit der Entschlossenheit eines Lothringers oder sogar eines Comtois… Eine Anekdote fasst diesen Charakterzug zusammen: Als junger Abgeordneter in Épaignes schwor er[4], fast wie eine Herausforderung, eines Tages die Haute-Normandie und die Basse-Normandie wieder zu vereinen. Das Projekt war bei weitem nicht unumstritten, aber er blieb standhaft, überzeugt davon, dass Einheit Stärke bedeutet.

Heute ist die wiedervereinigte Normandie eine der dynamischsten Regionen Europas, ein Vorbild für die Bündelung von Ressourcen und strategisches Denken.

Es ist dieser Mann mit Überzeugungen, den die heute Abend in Berlin, der Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschlands, anwesenden Deutschen getroffen haben.

Von der Erinnerung zur Zukunft, der deutsch-französische Fadend

Für seine deutschen Gesprächspartner ist Hervé Morin kein Unbekannter. Seine Zeit im Verteidigungsministerium unter den Regierungen Fillon hat die deutsch-französische Zusammenarbeit nachhaltig geprägt.

Hervé Morin à la BA 123… — Photo © Joël-François Dumont
Hervé Morin in Bricy: Nach der Vorstellung der CPA-10, Plädoyer für die A-400M Foto © Joël-François Dumont

Man erinnert sich an seinen unermüdlichen Kampf um die Rettung des Militärtransportflugzeugs A400M. Als das Projekt in endlosen Verzögerungen versank und die Fähigkeiten der europäischen Streitkräfte, insbesondere der unseren, gefährdet waren, kämpfte er unermüdlich für die Fertigstellung dieses technologischen Vorzeigeprojekts und beendete damit die strategische Abhängigkeit von den Amerikanern.

Première pierre de l'escadron-franco-allemand.ç Évreux
Grundsteinlegung (17.09.2020) für das Gebäude der 1. deutsch-französischen Luftwaffeneinheit auf dem Luftwaffenstützpunkt B.A.105 – Foto © AA&E

Diese Vision eines stärker integrierten Europas der Verteidigung vertrat er bis zum Ende seiner Amtszeit. Er war einer der Säulen des EATC-Projekts (European Air Transport Command),[5] das die Militärtransportflotten unter der Ägide der NATO zusammenlegt. Heute beherbergt der Flugplatz 105 in Évreux im Herzen der Normandie eine binationale deutsch-französische Transporteinheit, die spektakuläre Krönung dieser Vision. In einem Land wie Deutschland, das weiß, was das Wort „Wiedervereinigung” bedeutet, fand sein Projekt, die Land-, Luft- und Seestreitkräfte im „Balardgone” zusammenzufassen, ebenfalls großen Anklang und war ein Vorläufer der heute selbstverständlichen Vorrangstellung der gemeinsamen Streitkräfte, die heute zum Maßstab für Effizienz geworden ist.

Diese Fähigkeit, die Zukunft zu gestalten, speist sich aus einem tiefen Respekt vor der Vergangenheit.

Die Deutschen sind besonders sensibel für die Erinnerungsarbeit, die in der Normandie geleistet wurde, um die Schlachtfelder in Orte der Versöhnung zu verwandeln. Hervé Morin zeigt sich bewegt, wenn er an den 6. Juni 2004 erinnert, als Präsident Jacques Chirac Bundeskanzler Gerhard Schröder zu den Feierlichkeiten zum D-Day einlud.[6] Die französischen und deutschen Flaggen nebeneinander an den Stränden der Normandie wehen zu sehen, war ein Wendepunkt. „Ich verstehe nicht, warum wir das nicht schon früher gemacht haben!”, sagt er. Eine Herzensangelegenheit, die heute zu einer unerschütterlichen Tradition geworden ist.

de g.àd.: Dirk Schneemann, Sebastian Haas, Clément Rausch & Sénateur Ronan Le Gleut — Photo © All rights reserved
(l.n.R): Dirk Schneemann, Sebastian Haas, Clément Rausch und Senator Ronan Le Gleut – © Alle Rechte vorbehalten

Zurück in den Gärten der Botschaft. Der Abend ist in vollem Gange. Die Tische biegen sich unter den normannischen Köstlichkeiten und verwandeln den Ort in einen Tempel der Gaumenfreuden. Die Käseplatten werden von einer Armee begeisterter Feinschmecker gestürmt. Calvados und seine bernsteinfarbenen Variationen sorgen für angeregte Gespräche. Botschafter François Delattre, dessen intime Kenntnis der deutschen Kultur und dessen edles Herz ihm allgemeine Wertschätzung einbringen, beobachtet die Szene mit wohlwollender Zufriedenheit.

Dieser Empfang ist weit mehr als ein mondänes Ereignis. Er ist das Abbild eines Erfolgs: einer Region, die strahlt, einer lebendigen und greifbaren deutsch-französischen Freundschaft. Und während die Gespräche weitergehen, keimt eine Idee, die ganz selbstverständlich erscheint: Wäre es nach dem Erfolg der „Délices Normands” nicht an der Zeit, in Berlin ein echtes normannisches Gasthaus zu eröffnen, einen Ort, an dem Franzosen und Deutsche jeden Tag diese köstliche Harmonie feiern könnten? Die Zukunft sieht auf jeden Fall vielversprechend aus.

Joël-François Dumont

Siehe auch:

[1] Siehe „Fête franco-allemande 2025” – (2025-0711) –

[2] Der Flachsanbau folgte den Verbreitungswegen der neolithischen Landwirtschaft vom Kernland des Fruchtbaren Halbmondes nach Europa und ins Niltal.

In Ägypten wurde Flachs in den ältesten neolithischen Fundstätten des Niltals aus dem 8. Jahrtausend v. Chr. in Fayoum und Mérindé gefunden. Im 13. Jahrhundert entwickelte sich der Anbau in Flandern, der Bretagne und im Anjou, wo Flachs, die wichtigste Textilfaser des Mittelalters und der Renaissance, wie Hanf zur Herstellung von Bettwäsche, Unterwäsche und einer Vielzahl von Kleidungsstücken verwendet wurde. Der Flachsanbau wurde von Karl dem Großen gefördert… Im Jahr 2024 werden in Frankreich 93.000 Hektar Flachs für die Textilindustrie angebaut, in Belgien 20.000 Hektar und in den Niederlanden 3.600 Hektar. Frankreich allein, hauptsächlich in der Normandie und dann in der Region Hauts-de-France, macht 75 % der weltweiten Flachsproduktion für die Textilindustrie aus. Quelle: Wikipedia ). Ein Jahr später stieg dieser Anteil also von 75 % auf 90 %!

[3] Siehe „J’irai revoir ma Normandie” – 2025-0704 –

[4] Am 26. November 2006 wurde der „Eid von Épaignes” unterzeichnet, der die Wiedervereinigung der beiden Verwaltungsregionen Basse-Normandie und Haute-Normandie zu einer einzigen Region Normandie vorsieht. Quelle: Wikipedia.

[5] Siehe: „Le Centre Multimodal des Transports” von General Philippe Carpentier – (2010-0204) –

[6] „Kann man in der Normandie von einem gemeinsamen deutsch-französischen Gedächtnis sprechen?” Siehe: „Die deutsch-französische Versöhnung im Hinblick auf das Gedächtnis des Zweiten Weltkriegs begann symbolisch am 60. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie und der Schlacht um die Normandie am 6. Juni 2004 anlässlich der ersten deutsch-französischen Gedenkfeier unter dem Vorsitz des französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac und des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder in der Gedenkstätte von Caen. Zum ersten Mal seit dem Krieg wehten am 6. Juni die französische und die deutsche Flagge gemeinsam. Seitdem wird Deutschland jedes Jahr zur Gedenkfeier an die Landung in der Normandie eingeladen. Quelle: Interview von Hervé Morin mit Chemin de mémoire (Quelle: Fr. Verteidigungsministerium)